Freitag, 19. Juli 2013

Riechts?

In Schlettstadt findet sich in den Missiven der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts neben einem Rücherhanß oder Riecherhans auch ein Mann mit dem schönen Namen Frantz Riechßherin. Wie mag dieser Name wohl zustande gekommen sein? Wurde der Namensträger beim Eintreten in ein Haus einst nach seinem Namen gefragt und war sein erster Auspruch "Riechts herin?". In etwa: "Wer ist da?" - "Uh, riechts herin!".

Aber in den Schlettstädter Missiven sind die Geschichten fast spannender als die Namen. So bietet eine Vernehmung wegen Straßenraubs Einblicke in das gefährliche Reisen im Spätmittelalter. (Umso erstaunlicher wie mobil die spätmittelalterliche Gesellschaft doch war). Wilhelm Werly von Rottweil, heißt der Mann, der (unter ungeklärten Umständen) gestanden hat, mit Hilfe seines Knechts Hans Walch und Heinrich von Smyehein  (Schmieheim bei Kippenheim) auf "offener fr[e]yer strasse" bei Freiburg, eine Frau aus den Niederlanden ausgeraubt und um zwei Gürtel mit silbernen Beschlägen "und anders" gebracht zu haben. Die Geschichte scheint zu stimmen, denn die zwei Gürtel mit silbernen Beschlägen wurden bei ihm aufgefunden. Außerdem hat er zugegeben mit dem Gögler (schöner Name!) bei Sennheim (Cernay bei Thann) von drei Wallonen 10 Gulden und von einem Krämer nochmals 10 Gulden erbeutet zu haben. Mit Hans Bossenstein und dem Gögler hat er bei Schaffhausen einem drei Pferde abgenommen, die er als Reittiere für den Raub an der Niederländerin benutzt hat.

Was mit Wilhelm Werly und seinen Kumpanen passiert ist geht aus den Gerichtsakten nicht hervor. Aber die spätmittelalterliche Justiz urteilte Raub in dieser Höhe sehr hart. Ein Raub ab 5 Gulden wurde als existenzgefährdend für den Beraubten eingestuft und üblicherweise mit der Todesstrafe geahndet.

Freitag, 13. April 2012

Der Wolf gegenüber der hohen Tanne


Im Spätmittelalter waren Ortschaften mit 5000 – 6000 Einwohnern bereits Großstädte. Ulm war mit 20 000 Einwohner eine Metropole und Mailand mit 80 000 Einwohnern eine Weltstadt. Die Städte waren also noch überschaubar, die wenigen Straßen trugen Namen, die oft die Richtung der nächsten Ortschaft anzeigten und die Wohnhäuser waren noch nicht durchnummeriert. Man wusste wer in welchem Haus wohnte. Und wenn nicht? Da half der Häusername, der sehr kreative Formen annahm.
In Breisach wurde für das Münster, das Spital und das Kloster Marienau Hauszins erhoben. In den Zinsrodeln sind neben den Namen der Bewohner auch der Name der Häuser und um ganz sicher zu gehen auch die der Häuser in der Umgebung vermerkt. So erfährt man, dass im Haus zum Vogelsang die Schmidin von Husengitt wohnte oder dass das Haus zu der Rosen neben dem Haus zum Trübel stand. Passend zum Namen war im Haus zum Knoblauch eine Herberge untergebracht. Neben der Herberge zum Knobauch lag das Wirtshaus zum Pflug daneben hatte Hans Schiettinger der Brotbeck sein Gewerbe. Das Haus zur Hohen Tanne stand gegenüber dem Haus zum Wolf, neben dem Haus zur Gabel. Ob man sich mit der Gabel gegen den Wolf wehren wollte? Das Haus zum Griffenstein stand neben dem Haus zur Linde, welches wiederum passend neben dem Haus zum Tanz lag. War doch die Linde in vielen Ortschaften der Tanzbaum. Ein Mann mit dem schönen Namen Hans Wasserhuhn lebte in dem Haus zur Sonne, welches zwischen dem Haus zum Silberberg und dem Haus zum Haupt eingereiht war. Das Wirtshaus zum Roten Löwen lag neben dem Haus zum schwarzen Adler gegenüber das Haus zum Zirkel. In letzterem wohnte Claus Sattler, daneben Konrad Frantz der Steinmetz. Das Haus zum Affenberg war neben dem Haus zum Entenweg. Tierische Namen und Fabelwesen waren ohnehin sehr beliebt. So gab es das Haus zum Drachen („Tracken“), das Haus zu dem kleinen Leoparth, das Haus zum Roß, das Haus zum Bären und das Haus zum Panther. Neben dem Haus zum Heiden war das Haus zum Juden. In der goldenen Gasse, der „guldin gassen“, in Richtung der Augustiner Gasse lag das Haus zum Mond. Neben dem großen Kirchgarten, im Haus zum Pfauen wohnte der Kirchherr von Munzingen. Ein Bäcker, Gervasius Greiniger lebte in einem Haus, welches „zu der todten schlangen“ genannt wurde. Welche Geschichte wohl hinter dieser Namensgebung steckt?

Samstag, 24. Dezember 2011

Heilige Wihennechten

"Der Lebkuchenbäckerin um Lebkuchen zu Weihnachten", findet sich unter den jährlichen Ausgaben in den Rechnungsbüchern der Straßburger Münsterbauhütte des 15. Jahrhunderts. Hier wurden Lebkuchen also bereits wie heute an Weihnachten verzehrt. In Ulm erhält der Baumeister ein "wihennächtig hun", ein Huhn zu Weihnachten, sicherlich eine schöne Abwechslung zu den herbstlichen Speisen aus Sauerkraut mit Würsten, Schlehenkompott, Brot und Suppe. Geschenke werden zu der Weihnachtszeit gleichfalls verteilt. Die Frau des Baumeisters erhält in Straßburg einen seidenen Schleier, was durchaus den sozialen Status des Architekten des Münsterbaus andeutet. Praktische Geschenke erhalten die Chorherren und Pfleger. Handschuhe und Messer, womöglich aus der hauseigenen Schmiede, werden verteilt. Der Aberglauben, dass Messer die Freundschaft zerschneiden muss deutlich jünger sein.

Ich wünsche Euch allen ein frohes Weihnachtsfest, guten Appetit beim Essen des Weihnachtshuhnes, das heute ja oft durch die größere Weihnachtsgans ersetzt wurde, beim Naschen von Lebkuchen und anderem Weihnachtsgebäck und viel Spass beim Schenken und Beschenktwerden von praktischen und unpraktischeren Geschenken!

Montag, 1. August 2011

Wöllt ein Switz werden...

Eigentlich wollte ich heute ja nach Basel ins Archiv, bis mir aufgefallen ist, dass heute ja der 1. August ist und ich höchst wahrscheinlich vor verschlossenen Türen gestanden wäre.
Zum Schweizer Feiertag möchte ich thematisch (einigermassen) passend einen Wirthausdialog aus Basel aus dem Jahr 1472 posten:
Michel, ein Knecht aus Freiburg im Breisgau, wird mit Geld nach Basel geschickt. Zur Übernachtung nimmt er mit dem Herrn Jörg von Blumneck in  dem Gasthaus Krone Quartier. In der Stube des Wirtshauses sitzen „ettlich studenten, darunter ein pfaff, was sol ein Lütpriest(er) sin“. Als sich die beiden in die Stube begeben sagt der Leutpriester zu Michel: "Wie gevaltz (e)uch von fryburg das der h(er)tzog von öst(er)rich ein Switz wol(t) werden. Aber I(h)r hörends nit ungern den I(h)r sind sunst gut Switz.“ Michel antwortet daraufhin: „dem hand min h(er)ren zu vi(e)l li(e)bs und guts, mit willen mine(s) gnädigen h(er)rn, zu gesetzt wider die Switz und lieber h(er)r sind I(h)r guts muts so behalten doch di(e)s wort (e)uch selbs und reden tun erben [ehrbar] statt nit so s(ch)mahlich zu“. Darauf sprach der Pfaff: „ Ja es ist wa(h)r die von fryburg geben das glas voll guldin das sy Switz wären“. Und es folgten „vi(e)l andern s(ch)mäligen unbeschriben worten“ woraufhin beide ihr „swert oder messer zuckten und sich der hieben sol vil yeglich meint das Im wär“. 
Der Wirtshausstreit, der in einer Messerstecherei endet, zeigt die Gerüchte, die ob der erstarkenden Schweiz im Jahr 1472 verbreitet werden. Der österreichische Herzog wölle ein Schweizer werden, die Freiburger wöllten sich um Gulden bei den Schweizern einkaufen, aber letztlich war es nicht Freiburg, sondern Basel, welches 1501 in die Eidgenossenschaft eintrat.
Das Wirthaus Krone, in welchem der Streit stattfand, ist eines von vielen Wirtshäusern in der Stadt Basel. Vielleicht hätte Michel von Freiburg besser im Wirtshaus zem Schnabel Quartier bezogen. Oder im Gasthaus zem Affen? Es gäbe auch noch das Wirtshaus zur Lust, das Gasthaus zem Schiff, das Gasthaus zem Fuß, zem König, zem Thor und das Gasthaus mit dem schönen Namen Wirthaus zem schwartzen Sternen.
Einen frohen Feiertag allen Schweizern!

Samstag, 30. Juli 2011

Eisen und Rosen

Nachdem ich letzte Woche viele Stunden in verschiedenen Archiven gearbeitet habe ist es höchste Zeit einen Teil meiner Fundstücke hier zu präsentieren.
Besonders fasziniert hat mich der Namenserfindungsgeist der Schmiede in Freiburg i. Br. Da gibt es neben einem Hans Rosennagel, den Heisnagel, Brisnagel, Ysenly, Schicksysen, Gantzisen, Molysen, Grienisen, Velysen, Schribysen, Goldysen, Sternisen und Sumerisen. Ich bin wirklich erstaunt angesichts dieser Vielfalt an Eisen. Andere Berufsgruppen sind da lange nicht so einfalltsreich, wobei ich den Schneider Hans Röckly gleichfalls sehr schön finde.
Auffallend waren in allen Berufsgruppen die vielen Namensvarianten mit Rosen. Dass es in Ulm in den 1420er Jahren einen leitenden Steinmetzgesellen mit dem schönen Namen Peter Rosendorn gibt wusste ich bereits. In Freiburg fand ich dann einen Schneider mit dem Namen Hans Rosenzwig, eine Rosenböschin, einen Heinrich, Hans und Martin Rosenfeld, Cunrat Röslin, Andres Rosenblatt und Jerg Rosenkranz.

Dienstag, 19. Juli 2011

Tu mir nichts!

Luzern hat im 15. Jahrhundert nicht nur die schönsten Wirtshausnamen (und Wirtin ;-), sondern auch schöne und kreative Nachnamen. Nun gut mein Lieblingsname in der Liste der Steinmetzen- und Zimberknecht im Weißen Buch der Stadt Luzern kommt ursprünglich aus Nürnberg ist dafür aber nicht weniger schön: Uoly Tuomirnüt von Nürenberg. Ich wüsste zu gerne welches Aussehen und welche Statur dieser Steinmetz oder Zimmermann mit dem vielsagenden Namen "Tumirnichts" hatte. Auffallend sind in Luzern die vielen Namensverkürzungen, so wird aus Heinrich - Heini, aus Uolrich - Uoly und aus Rudolf - Ruedi.
Interessant ist die Herkunft der Steinmetzen und Zimmerleute, so kommen ein Peter Tschirni und ein Lorenz Krüsel us der Schlesye, Hans Dubstein von Hessen, Peter Ziegler von Straßburg, Cuonrat Ziegler von Ulm und Clewi Müller von Spir.
Schön finde ich den Namen Hans Humel von Underwalden, sowie auch Sigmund Pöfferli von Friburg, Hans Bruchi uß der March oder Hans Schelbli von Schaffhusen.
Seiner Heimatsprache wohl treu geblieben ist Hans Muettersprach von Lachen. Ob er aus Lachen im Kanton Schwyz kommt oder aus Lachen in Schwaben?

Sonntag, 10. Juli 2011

Vierzehnhundert

Aus dem 14. Jahrhundert habe ich deutlich weniger Notizen, zum einen, weil aus dieser Zeit vieles verloren ist und aus dem 15. deutlich mehr Quellen erhalten sind, zum anderen, weil mein Forschungsschwerpunkt bislang im 15. Jahrhundert lag.
Dennoch finde ich es interessant neben einem Blick in das frühe 16. auch einen Vergleich zu den Namen des 14. Jahrhunderts zu ermöglichen. Wie auch das frühe 16. ist das 14. Jahrhundert der Epoche der Spätgotik zuzurechnen.
Für das Bauwesen wichtigste Stadt des 14. Jahrhunderts ist Prag, wo von Peter Parler wichtige Neuerungen für die Architektur umgesetzt wurden, so daß Steinmetzen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nach Prag wanderten. Die Ehefrau des Peter Parler hieß Druda, eine wie ich finde schöne Abkürzung für den Frauennamen Gertrud. Ein weiterer schöner Frauenname dieser Zeit ist Drutginis, gleichfalls Köllnerin und Baumeisterstochter, die einen Neffen Peter Parlers heiratete.

Der Name Wenzel fand von Prag aus Verbreitung, aber weitaus häufigster männlicher Vorname des 14. Jahrhunderts ist Heinrich, gefolgt von Michael und Peter.
Ein lustiger Freiburger Name ist "Nicolaus dictus (genannt) Ungehuir", von dem ich gerne wüsste weshalb er 1384 Ungeheuer genannt wurde. Dass in dieser Zeit die Nachnamen noch nicht fest sind, zeigt sich unter anderem daran, daß diesen meist ein "dictus", d.h. "genannt" vorgesetzt wird.
Eine Reihe schöner Namen des Jahres 1312, also des frühen 14. Jahrhunderts finden sich in der Regensburger Chronik: 
Ott der Vaulwizer, Karel Igel, Karel und Gozwin Kratzer, Alhard der Süsse, Friedrich mit der Wage und der Gerunch.